Die Grundlagen des autogenen Trainings verstehen
Nach einem hektischen Arbeitstag liegt Michael in seinem Bett, die Gedanken rasen, der Körper bleibt angespannt. Er hatte von den positiven Effekten des autogenen Trainings gehört, konnte sich jedoch nicht vorstellen, wie einfache mentale Übungen zu körperlicher Entspannung führen sollten. Drei Wochen nach Beginn seiner Übungspraxis bemerkte er bereits deutliche Veränderungen – seine Einschlafzeit verkürzte sich auf wenige Minuten, tagsüber fühlte er sich ausgeglichener.
Das autogene Training wurde in den 1920er Jahren vom deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelt. Der Begriff „autogen“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „selbst erzeugt“. Dies verdeutlicht den Kerngedanken der Methode: Die Entspannung wird nicht von außen zugeführt, sondern vom Übenden selbst durch Konzentration und Vorstellungskraft herbeigeführt.
Der Ansatz basiert auf Erkenntnissen aus der Hypnose und nutzt die enge Verbindung zwischen Geist und Körper. Durch gezielte Selbstsuggestion können wir die unwillkürlichen Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Muskelspannung beeinflussen. Im Gegensatz zu anderen Entspannungstechniken wirkt das autogene Training sowohl auf der körperlichen als auch auf der psychischen Ebene.
Die idealen Voraussetzungen für erfolgreiches Üben
Bevor Sie mit den konkreten Übungen beginnen, sollten Sie optimale Rahmenbedingungen schaffen. Der Übungsort sollte ruhig und frei von Ablenkungen sein – ein separater Raum oder eine ruhige Ecke eignen sich besonders gut. Die Temperatur sollte angenehm sein, nicht zu warm und nicht zu kalt. Lockere, bequeme Kleidung unterstützt den Entspannungsprozess zusätzlich.
Für Anfänger empfiehlt sich die Rückenlage auf einer festen, aber bequemen Unterlage. Die Arme liegen leicht angewinkelt neben dem Körper, die Handflächen sind nach unten gerichtet. Die Beine werden leicht gespreizt und die Füße fallen natürlich nach außen. Alternativ kann auch die „Droschkenkutscherhaltung“ im Sitzen eingenommen werden – dabei sitzt man aufrecht auf einem Stuhl, die Unterarme liegen auf den Oberschenkeln, der Kopf ist leicht nach vorne gebeugt.
Optimal üben – Die wichtigsten Punkte:
Die regelmäßige Übungspraxis ist der Schlüssel zum Erfolg. Besser täglich fünf Minuten als einmal wöchentlich eine Stunde üben. Mit zunehmender Erfahrung werden Sie die Entspannungsreaktion schneller herbeiführen können und schließlich in der Lage sein, auch in Alltagssituationen davon zu profitieren.
Die sechs Grundübungen des autogenen Trainings
Das klassische autogene Training nach Schultz umfasst sechs Grundübungen, die aufeinander aufbauen. Als Anfänger sollten Sie mit der ersten Übung beginnen und erst zur nächsten übergehen, wenn Sie die vorherige sicher beherrschen. Jede Übung besteht aus einer spezifischen Formel, die Sie sich innerlich vorsagen.
1. Die Schwereübung
Die erste Grundübung zielt auf die Entspannung der Muskulatur ab. Beginnen Sie mit dem dominanten Arm (bei Rechtshändern der rechte, bei Linkshändern der linke). Wiederholen Sie in Gedanken: „Mein rechter Arm ist ganz schwer.“ Konzentrieren Sie sich dabei auf die Empfindung in Ihrem Arm, ohne aktiv etwas zu verändern. Nach einigen Wiederholungen spüren Sie, wie der Arm tatsächlich schwerer wird, als würde er in die Unterlage sinken.
Sobald Sie die Schwereempfindung im dominanten Arm deutlich wahrnehmen können, erweitern Sie die Übung auf den zweiten Arm: „Mein linker Arm ist ganz schwer.“ Nach weiteren Übungstagen beziehen Sie auch die Beine ein: „Meine Arme und Beine sind ganz schwer.“ Schließlich wird die Formel für den ganzen Körper eingesetzt: „Mein ganzer Körper ist angenehm schwer.“
2. Die Wärmeübung
Nachdem die Schwereübung sicher beherrscht wird, folgt die Konzentration auf das Wärmeempfinden. Beginnen Sie wieder mit dem dominanten Arm: „Mein rechter Arm ist angenehm warm.“ Die Wärmeempfindung entsteht durch eine Erweiterung der Blutgefäße, die die Durchblutung verbessert. Viele Übende berichten von einem angenehmen Kribbeln oder Pulsieren.
Auch hier erweitern Sie die Übung schrittweise auf den zweiten Arm, die Beine und schließlich den ganzen Körper. Die vollständige Formel lautet dann: „Meine Arme und Beine sind angenehm warm, mein ganzer Körper ist wohlig durchströmt.“
3. Die Herzübung
Wenn Schwere und Wärme gut spürbar sind, folgt die Konzentration auf den Herzschlag. Legen Sie Ihre rechte Hand leicht auf die Herzgegend und spüren Sie den ruhigen, gleichmäßigen Herzschlag. Die passende Formel lautet: „Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig.“ Diese Übung führt zu einer Harmonisierung des Herzrhythmus und einer leichten Verlangsamung der Herzfrequenz.
4. Die Atemübung
Bei der Atemübung geht es nicht um eine bewusste Veränderung der Atmung, sondern um das achtsame Beobachten des natürlichen Atemrhythmus. Die Formel lautet: „Meine Atmung ist ganz ruhig“ oder „Es atmet mich“. Letztere betont, dass die Atmung von selbst geschieht, ohne aktives Zutun. Diese passive Formulierung unterstützt die Wahrnehmung der Atmung als autonomen Prozess.
5. Die Sonnengeflechtübung
Das Sonnengeflecht (Plexus solaris) ist ein Nervengeflecht im Oberbauch, etwa in der Mitte zwischen Bauchnabel und Brustbein. Die Formel für diese Übung lautet: „Mein Sonnengeflecht ist strömend warm.“ Diese Übung wirkt beruhigend auf die inneren Organe und kann bei regelmäßiger Praxis Verdauungsbeschwerden lindern und das allgemeine Wohlbefinden steigern.
6. Die Stirnübung
Die letzte Grundübung richtet die Aufmerksamkeit auf die Stirn, die bei Anspannung oft verkrampft ist. Die Formel „Meine Stirn ist angenehm kühl“ führt zu einer Entkrampfung der Stirnmuskulatur und wirkt erfrischend auf den Geist. Diese Übung ist besonders hilfreich bei Kopfschmerzen und geistiger Erschöpfung.
Eine einfache Übungssequenz für Einsteiger:
Die Rücknahme: Wichtiger Abschluss jeder Übung
Der richtige Abschluss der Übung ist ebenso wichtig wie die Übung selbst. Die sogenannte „Rücknahme“ aktiviert den Körper wieder und verhindert unangenehme Nachwirkungen wie Schwindel oder Benommenheit. Sie besteht aus drei Schritten:
Beginnen Sie mit tiefem Einatmen und festem Ausatmen. Ballen Sie dann die Hände zu Fäusten und strecken Sie kräftig die Arme. Abschließend öffnen Sie die Augen. Diese Reihenfolge sollte immer eingehalten werden: erst atmen, dann bewegen, dann Augen öffnen.
Anfänger berichten manchmal von kribbelnden Fingern oder leichtem Schwindel während der Übungen. Dies sind normale Begleiterscheinungen der Entspannung und verschwinden mit fortschreitender Übungspraxis. Sollten diese Empfindungen unangenehm werden, beenden Sie die Übung vorzeitig mit der Rücknahme.
Häufige Hürden und wie Sie sie überwinden
Der Weg zum erfolgreichen autogenen Training ist selten geradlinig. Viele Anfänger erleben Phasen, in denen scheinbar keine Fortschritte erzielt werden. Diese Plateaus gehören zum Lernprozess und sollten Sie nicht entmutigen. Bleiben Sie bei Ihrer regelmäßigen Übungspraxis, auch wenn die Effekte zunächst ausbleiben oder schwächer werden.
Eine häufige Herausforderung ist das „Gedankenkarussell“. Gerade in Zeiten erhöhter Belastung fällt es schwer, den Gedankenstrom zu unterbrechen. Akzeptieren Sie auftauchende Gedanken, ohne sich in ihnen zu verlieren. Stellen Sie sich vor, wie sie wie Wolken am Himmel vorbeiziehen, während Sie sanft zur Übungsformel zurückkehren.
Einschlafprobleme während der Übung sind besonders bei abendlichen Übungszeiten keine Seltenheit. Wenn Sie regelmäßig einschlafen, versuchen Sie, in einer etwas weniger bequemen Position zu üben oder die Übungszeit auf den frühen Abend zu verlegen. Andererseits kann das autogene Training gezielt zum Einschlafen eingesetzt werden – in diesem Fall ist das Einschlafen während der Übung erwünscht.
Die Integration in den Alltag: Der Weg zur Meisterschaft
Mit zunehmender Übungserfahrung werden Sie in der Lage sein, die entspannende Wirkung des autogenen Trainings in immer kürzerer Zeit herbeizuführen. Nach einigen Wochen regelmäßiger Praxis können Sie beginnen, Kurzformen in den Alltag zu integrieren – etwa während einer Arbeitspause, vor wichtigen Gesprächen oder in Situationen erhöhter Anspannung.
Versuchen Sie, bestimmte Trigger im Alltag mit der Entspannungsreaktion zu verknüpfen. Dies könnte das Warten an einer roten Ampel sein, das Händewaschen oder der Anblick einer bestimmten Pflanze im Büro. Nutzen Sie diese Momente für eine verkürzte Version der Übung, etwa mit der Formel „Ruhe – Schwere – Wärme“.
Fortgeschrittene Übende können das autogene Training mit anderen Techniken kombinieren. Besonders wirksam ist die Verbindung mit der Visualisierung eines persönlichen Ruheortes – etwa eines Strandes, einer Waldlichtung oder eines Berggipfels. Nach dem Erreichen des entspannten Zustands durch die Grundübungen stellen Sie sich diesen Ort mit allen Sinnen vor.
Die volle Wirksamkeit des autogenen Trainings entfaltet sich meist nach drei bis sechs Monaten regelmäßiger Übung. Zu diesem Zeitpunkt ist die Entspannungsreaktion so gut konditioniert, dass Sie sie in nahezu jeder Situation und Körperhaltung abrufen können. Was anfangs noch bewusste Konzentration erforderte, wird zunehmend zu einer natürlichen Fähigkeit des Körpers.
Anpassung und Weiterentwicklung der Technik
Nach sicherer Beherrschung der Grundübungen können Sie das autogene Training an Ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen. Manche Menschen profitieren von individualisierten Formeln, die auf spezifische Problembereiche abzielen. Bei Schlafstörungen könnte eine ergänzende Formel lauten: „Mein Schlaf ist tief und erholsam.“ Bei Verspannungen im Nackenbereich wäre eine mögliche Formulierung: „Mein Nacken ist weich und gelöst.“
Eine fortgeschrittene Variante ist die „intentionale Übung“, bei der nach Erreichen des Entspannungszustandes positive Intentionen oder Vorsätze integriert werden. Diese sollten kurz, präzise und positiv formuliert sein, etwa „Ich begegne Herausforderungen mit Gelassenheit“ oder „Ich kommuniziere klar und freundlich“.
Das autogene Training kann auch gezielt zur mentalen Vorbereitung auf herausfordernde Situationen eingesetzt werden. Sportler nutzen es vor Wettkämpfen, Redner vor Vorträgen und Prüflinge vor Examina. In diesen Fällen wird die Grundentspannung mit spezifischen Vorstellungsbildern kombiniert, die den Erfolg in der bevorstehenden Situation visualisieren.
Letztendlich entwickelt jeder Übende seinen persönlichen Stil. Manche bevorzugen eine stark verkürzte Form mit nur wenigen Formeln, andere schätzen den vollständigen Durchgang aller sechs Grundübungen. Entscheidend ist nicht die strikte Einhaltung einer vorgegebenen Form, sondern die regelmäßige Praxis und die dadurch erzielte Verbesserung der Selbstregulation.
Das autogene Training ist mehr als eine Entspannungstechnik – es ist ein Weg zu innerer Ausgeglichenheit und erhöhter Selbstwirksamkeit. Mit jedem Tag der Übung bauen Sie eine stärkere Verbindung zwischen Geist und Körper auf und erweitern Ihre Fähigkeit, beide positiv zu beeinflussen. Der Anfang mag herausfordernd sein, doch die Mühe wird durch die vielfältigen Vorteile für Ihre Lebensqualität mehr als aufgewogen.

Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich, dass ihr es auf meinen Blog geschafft habt, der sich mit den spannenden Themen Gesundheit, Wirtschaft und Bildung auseinandersetzt. Mein Name ist Timo, ich bin 33 Jahre alt und habe vor ca. einem Jahrzehnt mein Studium in BWL erfolgreich abgeschlossen. Im Anschluss daran habe ich meinen Master in BWL noch obendrauf gesetzt und konnte in den letzten Jahren wertvolle Erfahrungen in großen deutschen Konzernen sammeln. Während meiner beruflichen Laufbahn habe ich tiefe Einblicke in verschiedene wirtschaftliche Bereiche erhalten und zahlreiche Herausforderungen gemeistert. Doch meine Leidenschaft für Gesundheit und Bildung hat mich stets begleitet. In meiner Freizeit tauche ich tief in die Themen ein, recherchiere, lerne und tausche mich gerne mit Experten aus. Diese Leidenschaft möchte ich nun mit euch teilen und mein erworbenes Wissen weitergeben. Danke, dass ihr hier seid!
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Timo
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